Vermutlich ist dir bereits aufgefallen, dass es Reiter gibt, die wie angegossen auf ihrem Pferd sitzen. Das Becken schwingt, die Paraden sind gleichmäßig, die Hände ruhig. Das harmonische Gesamtbild zwischen Reiter und Pferd ist beinahe greifbar.
Gute Reitstunden helfen dir, eine gute Reiterin oder ein guter Reiter zu werden. Doch warum stechen manche Reiter besonders hervor?
Unter den Sportlern ist schon lange bekannt, dass Reitstunden allein nicht ausreichen. Sportübungen abseits vom Reitgeschehen sind Grundvoraussetzungen, um sich in jeder Hinsicht zu verbessern. Ein ausbalancierter Sitz, unabhängige Zügelkommandos und feine Hilfengebungen verbessern das Reitgefühl ungemein. Doch nicht nur du als Reiter profitierst davon, deine Muskeln zu stärken, auch macht es das Training für deinen Vierbeiner wesentlich angenehmer. Doch welche Methode außerhalb des Dressurvierecks funktioniert hierfür am besten?
FLEXI-BAR heißt das Zauberwort. Noch nie davon gehört? Dann wird es höchste Zeit. Denn die flexible Stange kann dich in wenigen Wochen deinen reiterlichen Zielen ein gutes Stück näher bringen.
Beim Reiten geht es nicht darum, mechanisch einzuwirken, sondern ausgeglichen zu agieren. Mit systematischen Übungen für Koordination, Schwingung und für die Muskelgruppen des Rumpfes kannst du den FLEXI-BAR gezielt einsetzen.
Der richtige Sitz – mit Schwung ausbalanciert und zügelunabhängig reiten
Das Reiten ein schwingender Sport ist, bedeutet nicht, dass alles mit möglichst viel Schwung durchgeführt werden sollte. Hierbei handelt es sich vielmehr um das schwingende Gefühl zwischen Pferd und Reiter. Es bedeutet, dass dein Pferd in jeder Gangart Bewegungen an dich abgibt, die von dir aufgenommen und wieder an dein Pferd zurückgegeben werden.
Damit das Annehmen und Abgeben der Schwingungen reibungslos funktioniert und nicht durch Muskelversagen gestört wird, sollten Muskelpartien wie die des Rumpfes, insbesondere des Beckens, gut trainiert sein.
Wie sieht der korrekte Reitersitz aus?
Die bestimmenden Punkte, die zu einem gut ausgeführten Sitz gehören, haben wir dir nachfolgend aufgezählt:
- Der Kern des richtigen Sitzes ist das Becken, dies sollte beweglich schwingen und sich im tiefsten Punkt des Sattels befinden,
- der Oberkörper befindet sich in gerader Position über dem Becken,
- der Kopf ist aufrecht und der Blick geradeaus,
- das Gewicht der Arme sollte sich über dem Rücken verteilen,
- der Brustkorb wölbt sich und stützt die Schulterpartie,
- die zur hohlen Faust geballten Hände stehen Handbreit nebeneinander und über dem Widerrist,
- die Füße befinden sich leicht seitlich geneigt zum Pferdekörper,
- diese sind im Steigbügel so positioniert, dass sich der Fußballen kurz vor der breitesten Stelle des Bügels befindet,
- das Fußgelenk ist locker und beweglich,
- sobald das Pferd in Bewegung kommt, wird der Absatz zum tiefsten Punkt des Reiters.
Der Rhytmus zwischen Pferd und Reiter sollte im Gleichklang sein. Bei einer automatisierten bzw. mechanischen Reitweise stellt sich meist schnell heraus, dass der Bewegungsablauf nicht “rund läuft”. So kann das natürliche Gleichgewicht deines Pferdes gestört werden. Dies kann im schlimmsten Fall zu Taktfehlern, Verspannungen, Ticks bis hin zur Unreitbarkeit führen.
Auch der menschliche Körper kann durch den falschen Reitersitz negativ beeinflusst werden. Rückenschmerzen, Sehnenentzündungen und Verschleiß sind die Folgen.
Dies kannst du vermeiden, indem du durch Übungen mit dem FLEXI-BAR die notwendigen Muskelpartien trainierst und somit für eine ausgeglichene Schwingung sorgst.
Vorab kannst du bereits diese Mentalübung am Boden durchführen, um festzustellen, wo sich ggf. deine Schwachpunkte befinden:
Suche dir einen ruhigen und ungestörten Platz, an dem du dich konzentrieren kannst. Setze dich nun aufrecht auf den Rand eines Stuhles (oder deines Sofas) und schließe deine Augen. Stell dir jetzt bitte vor, wie du auf deinem Pferd sitzt. Versuche dich bestmöglich in jede einzelne Gangart hineinzufühlen und dabei die Schwingung deines Pferdes zu spüren.
Was fühlst du?
Nimmst du ein harmonisches Annehmen und Abgeben der Bewegungen wahr?
Und wo denkst du, lassen sich deine eigenen körperlichen Voraussetzungen verbessern?
Mit dem FLEXI-BAR kannst du anschließend die Schwachpunkte gezielt angehen.
Grundprinzip: FLEXI-BAR Übungen
Das Grundprinzip der FLEXI-BAR Übungen stammt vom Grundgedanken des Feldenkrais und F. M. Alexander, Kinesiologie und Ismakogie. Um zu verstehen, was es damit auf sich hat, ist es wichtig, den Aufbau eines Muskels zu kennen.
Einfach erklärt, besteht ein Muskel aus einer großen Anzahl an Faserbündeln. Hierin befinden sich die Muskelfasern bzw. Muskelzellen. Jede Faser ist mit elastischer Bindegewebshaut (Faszien) überzogen, genauso wie die einzelnen Faserbündel. Die Muskelfasern im Körper vibrieren bzw. schwingen in unterschiedlichen Frequenzen. Je nachdem welche Bewegungen du gerade durchführst, spannt sich dein Muskel an oder entspannt sich. Schwingungen und Vibration sind also immer allgegenwärtig.
Idealerweise ist deine Tiefenmuskulatur in der Bewegung so gut trainiert, dass sie während eines Bewegungsvorgangs am stärksten in Schwingung ist. Ist dies nicht der Fall, kannst du dies mit dem FLEXI-BAR ändern. Durch die Schwingungsfrequenz von 4,6 Herz gelangen die Vibrationen bis hin zur Tiefenmuskulatur und trainieren diese kontinuierlich.
Workout für Rumpf, Hand und den richtigen Schwung – so beginnst du dein FLEXI-BAR Training:
Um mit den FLEXI-BAR Übungen zu beginnen, solltest du Grundlegendes wissen:
1. Wie halte ich den FLEXI-BAR?
Den Griff deines FLEXI-BAR solltest du in der Mitte entweder einhändig oder mit beiden Händen umfassen. Dies kommt ganz auf die Übung an. Es ist wichtig, den Griff mit der gesamten Hand locker zu umfassen und nicht nur mit den Fingern.
2. Was muss ich tun, um den FLEXI-BAR zum Schwingen zu bringen?
Um deinen Schwingstab zum Schwingen zu bringen, solltest du zunächst eine stabile Ausgangsposition einnehmen (hüftbreit, leicht gebeugte Knie). Nun hältst du den Schwingstab zunächst in deiner Schreibhand. Jetzt gibst du einen Bewegungsimpuls aus deinem Arm über das Handgelenk an deinen Stab ab. Ab jetzt muss der Stab durch konstante Impulse in Schwingung gehalten werden.
Welche FLEXI-BAR Übungen sind besonders geeignet, um den Reitersitz zu verbessern?
Primär geht es beim Reiten um eine stabile Rumpfmuskulatur, die nahezu an jeder Aktion im Sattel beteiligt ist. Daher ist es von großer Wichtigkeit, die passende Möglichkeit zu finden für ein unterstützendes Training.
Zu den Muskelpartien des Rumpfes gehören:
- Brustkorb,
- Bauch,
- Rücken,
- und Becken.
Weitere Muskelpartien, die grundlegend stark eingebunden sind, sind die Gesäßmuskulatur, die Beinmuskulatur und tatsächlich auch die Handgelenksmuskulatur. Nicht weil es wichtig wäre, dein Pferd besonders gut zurückhalten zu können, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Maßgeblich ist eine ruhige, unabhängige Reiterhand, die geschmeidige Bewegungen umsetzen kann.
Die 7 besten Schwingstab Übungen für den ambitionierten Reiter:
Die Blockflöte
Mit der Blockflöte kannst du Brust und Schultergürtel trainieren, welche maßgeblich am Reitersitz beteiligt sind.
Ziel & Zweck dieser Übung: Bessere Aufrichtung, stabilere Zügelführung
Ausgangsposition und Durchführung: Breiter, stabiler Stand mit beiden Fersen auf dem Boden. Umfasse den Schwungstab mit beiden Händen und halte ihn senkrecht. Nun setzt du den Impuls, um den FLEXI-BAR vor und zurück zu schwingen.
Der Pfau
Mit der Übung des Pfaus werden der obere Rücken und die Schultermuskulatur trainiert.
Ziel & Zweck dieser Übung: V.a. Rumpfstabilisierung
Ausgangsposition und Durchführung: Dein Stand sollte schulterbreit sein. Der FLEXI-BAR wird bei dieser Übung mit nur einer Hand umfasst und ist senkrecht zum Körper gerichtet. Es ist zu empfehlen, anfangs die Schreibhand zu benutzen, da die korrekte Durchführung dort i.d.R. leichter ist. Der Arm wird hierbei nach außen gespreizt und der Daumen zeigt nach vorne. Der FLEXI-BAR sollte nun in der Bewegung hinter die Oberschenkel gebracht werden. Die Übung wird beidseitig ausgeführt.
Der Schmetterling
Der Schmetterling eignet sich besonders für den breiten Rückenmuskel und die Brust.
Ziel & Zweck dieser Übung: Bessere Aufrichtung, stabilere Zügelführung
Ausgangsposition und Durchführung: Dein Stand sollte auch hier wieder schulterbreit sein. Der Schwingstab wird beidhändig und locker vor dem Körper gegriffen und waagrecht gehalten. Die Daumen zeigen zum Körper hin. Die Bewegungsausführung ist auch hier vor und zurück.
Die Libelle
Die Libelle ist besonders gut geeignet, um den mittleren Rücken und den breiten Rückenmuskel zu trainieren, welche mitunter für Stabilität beim Reiten sorgen.
Ziel & Zweck dieser Übung: V.a. Rumpfstabilisierung, Stärkung der Gesäßmuskulatur für ein schwingendes Becken, ruhigere Beinlage
Ausgangsposition und Durchführung: Bei dieser Übung begibst du dich in die breite Squatposition. Der Schwungstab wird mit beiden Händen locker waagerecht gegriffen. Die Schultern werden tief gezogen und die Daumen zeigen nach vorne.
Die Bewegungsausführung ist in diesem Fall hoch und tief.
Die Tulpe
Die Tulpe zielt besonders auf die Muskelpartien des Bauches ab, die bei jeder reiterlichen Aktion vibrieren sollten.
Ziel & Zweck dieser Übung: Rumpfstabilisierung, verbessert das Mitschwingen im Becken, aufrechter und stabiler Sitz
Ausgangsposition und Durchführung: Setze dich mit gespreizten Beinen auf den Boden und beuge die Knie leicht an. Halte den Schwungstab mit beiden Händen quer und brusthoch. Schwinge den Stab parallel zu den Oberschenkeln in waagerechter Position. Der Oberkörper wird dabei zurückgenommen und wieder aufgerichtet. Diese Übung kann durch das zur Seite drehen, auch für die schrägen Bauchmuskeln genutzt werden (Schräge Tulpe).
Der Bambus
Bei dieser Übung werden die quer verlaufenden Bauchmuskeln und der Beckenboden trainiert. Das Becken ist der Antrieb des Reiters und deshalb nicht zu vernachlässigen.
Ziel & Zweck dieser Übung: Verbessert das Mitschwingen im Becken, Rumpfstabilisierung für einen stabilen Reitersitz, langes Reiterbein
Ausgangsposition und Durchführung: Stehe breitbeinig mit dem Körpergewicht auf den Fersen. Spanne dein Gesäß nun fest an und umfasse den senkrechten FELXI-BAR mit beiden Händen. Führe die Bewegung von links nach rechts aus.
Die Waage
Diese Übung trainiert hauptsächlich das Gesäß und die Oberschenkel. Auch diese Muskeln sind beim reiterlichen Sitz äußerst wichtig, da sie für ein ruhiges Bein verantwortlich sind.
Ziel & Zweck dieser Übung: Mitschwingen im Becken, Stabilisierung Rumpfmuskulatur, langes Reiterbein
Ausgangsposition und Durchführung: Aus der Schrittstellung heraus beugst du den Oberkörper nach vorne und hebst ein Bein nach hinten an. Halte den FLEXI-BAR waagrecht mit dem gegenüberliegenden Arm nach vorne und führe die schwingende Bewegung vor und zurück durch. Vergiss nicht, die Übung beidseitig durchzuführen. Diese Übung kannst du gleichermaßen mit Blick in den Boden, im Vierfüßlerstand ausführen (tiefe Waage).
Durch dieses Workout – mit dem Schwungstab als Trainingsgerät – kannst du Schwingungen, die deine Muskulatur trainieren, schnell und häufig umsetzen. Dadurch kannst du gezielt für´s Reiten Rückenmuskulatur aufbauen. Diese Muskeln helfen dir wiederum, deinen Sitz während des Reitens korrekt halten zu können. Außerdem förderst du die Durchblutung, regst den Stoffwechsel an und sorgst dafür, dass dein Lymphsystem besser ausscheidet.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Koordination von Armen, Schultern, Händen und Beinen, die durch das FLEXI-BAR Training besonders gefördert werden.
Wie oft und wie lange sollte das Training mit dem FLEXI-BAR durchgeführt werden?
Das Training mit dem FLEXI-BAR sollte idealerweise ca. 3 Mal in der Woche durchgeführt werden. 10 Minuten pro Einheit reichen hierfür völlig aus. Eine Übung sollte, wenn möglich, mindestens 90 Sekunden andauern.
ACHTUNG: Der FLEXI-BAR sollte nicht angewandt werden, wenn entzündliche Vorgänge im Schulter- oder Wirbelsäulenbereich bestehen. Ob du den Schwingstab während der Schwangerschaft anwenden kannst, solltest du mit deinem behandelnden Arzt besprechen. In jedem Fall solltest du die letzten 3 Monate darauf verzichten. Wenn du unter 15 Jahre alt bist, darfst du den FLEXI-BAR nur unter Aufsicht eines Erwachsenen nutzen.
Welches Equipment benötigst du für die FLEXI-BAR Übungen?
Gute atmungsaktive Sportkleidung, passende Turnschuhe und der FLEXI-BAR sind alles, was du für das Training benötigst. Hier findest du eine gute Übersicht über verfügbare FLEXI-BARs. Musik kann das Spaß-Level noch einmal erhöhen.
Zusammenfassung
Als Reiter ist der richtige Sitz besonders wichtig. Ohne ihn ist keine unabhängige und geschmeidige Hilfengebung möglich. Gleichzeitig sollte das Gesamtbild einen guten Eindruck hinterlassen und der klassischen Reitweise nachkommen.
Das A und O für den richtigen Sitz ist der Rumpfbereich des Reiters. Erst eine stabile Rumpfmuskulatur ermöglicht ein ruhiges und losgelassenes Sitzen auf dem Pferd und eine unabhängige Hilfengebung. Sie ist also Grundvoraussetzung für ein harmonisches Miteinander von Pferd und Reiter.
Da Übungen mit dem FLEXI-BAR die Rumpfmuskulatur so stärken wie kaum ein anderes Training, können insbesondere Reiter von den oben beschriebenen FLEXI-BAR Übungen profitieren. Wenn du also regelmäßig trainierst, kannst du davon ausgehen, deinen Reitersitz sehr effektiv und effizient zu verbessern. So steigerst du dein positives Sitzgefühl, hast mehr Spaß an der reiterlichen Arbeit mit deinem Pferd.
Wir wünschen dir viel Erfolg beim Training und der Umsetzung im Sattel.
Quellen:
- Rumpf (Anatomie) – Wikipedia
- Buch: Eckart Meyners, Bewegungsgefühl und Reitersitz, KOSMOS Verlag
- Der Reitersitz: So sitzen Sie richtig!
- Gesundheitssport mit dem Pferd | FN
- So verbesserst du deinen Sitz und entwickelst eine gezielte Einwirkung
Ich reite, seitdem ich 6 Jahre alt bin. Mit meiner Trainer B Lizenz „Reiten“ und meiner Ergänzungsqualifikation „Sitz- und Gleichgewichtsschulung“ konnte ich schon vielen Reiter-Pferd-Paaren zu mehr Harmonie und „richtigem Reiten“ verhelfen. Meine Passion liegt in der Vielseitigkeit/Cross Country. Ich habe zwei eigene Pferde: „Bell“ (*2016) und „Grazi“ (*1994), zwei Kinder: „Fabius“ (*2017) und „Joshua“ (*2021), bin glücklich verheiratet und lebe in Straßlach, bei München.
Mein Autoren-Profil: Johanna Hartung